Ministerpräsident
des Landes ……….
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                                                                                                                  13. April 2020

Sehr geehrte ……….

meine Frau und ich arbeiten seit fast 30 Jahren als Puppenspieler, Luftballonkünstler, Lehrer für Ballonkunst und Kinderbuchautoren. Unsere vielfältigen künstlerischen Tätigkeiten fallen unter den Begriff Soloselbstständige, Künstler, bzw. Angehörige der Freien Berufe.

Es war sehr erleichternd für uns, als der Bund beschloss, für diese Zielgruppen eine Corona-Soforthilfe von € 9.000,- bereitzustellen.
Die Erleichterung währte nur kurz.
Wir, die Kinder- und Puppentheaterspieler, die Ballonkünstler, Jongleure, Clowns, Autoren und viele andere Kreativschaffende, fallen leider durch das Unterstützungsraster, weil die Corona-Soforthilfe nur für Betriebskosten und Liquiditätsengpässe benutzt werden darf.

Das hilft uns gar nicht. Unsere Existenz ist ernsthaft bedroht.

Sie nehmen in Kauf, dass es die freischaffende Kunstszene in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird.

Denn genau das wird passieren, wenn die Bedingungen für die Nutzung der Corona-Soforthilfe nicht den wirklichen Bedürfnissen von soloselbstständigen Künstlern angepasst werden.

Wir können nicht glauben, dass das gewollt ist.

Die Staatsministerin für Kultur, Frau Monika Grütters, schreibt am 09.04.2020 auf der Internetseite der Bundesregierung: »Es soll in dieser akuten Notlage diejenigen auffangen, denen infolge der Corona-Epidemie die Einnahmen wegbrechen.«

Das genau ist jetzt bei uns und vielen anderen Künstlern der Fall.

Uns brechen die Einnahmen weg!

Bis August 2020 wurden uns alle Engagements storniert. Das bedeutet: Null Einkommen für mehrere Monate. Gerade die Sommermonate sind für uns so wichtig, weil wir in dieser Zeit auch die Rücklagen für die auftragsschwächeren Wintermonate erwirtschaften. Wann sich die Lage wieder stabilisieren wird, weiß zurzeit niemand.

Niemand bucht Künstler für eine ungewisse Zukunft. Das Telefon schweigt. Die E-Mail-Anfragen gehen gegen null. Das ist für uns sehr problematisch, da wir in den Monaten Januar bis April normalerweise 75% der Buchungen für den Rest des Jahres mit den unterschiedlichsten Veranstaltern vereinbaren.
Nicht in diesem Jahr! Es ist zu befürchten, dass wir in diesem Jahr keine Auftritte mehr absolvieren können.

Meine Frau und ich leben von den Honoraren, die wir durch unsere Arbeit als Künstler erwirtschaften. Damit haben wir unsere Kinder großgezogen, bezahlen unsere Miete und unseren Lebensunterhalt. Wir haben kein geleastes Auto, sondern fahren mit einem 10 Jahre alten Gebrauchtwagen zu unseren Auftritten. Ebenso haben wir keine externen Büroräume, sondern arbeiten in unserer Wohnung. Dort proben wir für unser Puppentheater, für unsere Autorenlesungen, bilden uns handwerklich als Ballonkünstler weiter, lernen Texte, schreiben und lektorieren und bieten Workshops an. Am Küchentisch wird genäht, werden Figuren und Requisiten gebaut.

Wir haben keine großartige Werkstatt, für die wir Miete zahlen müssen.
Unsere Puppenbühnen lagern in unserer Garage und die Luftballonmaterialien in der Abstellkammer. Im Flur und im Schlafzimmer stehen Schränke mit Kostümen und Requisiten, sowie Regale mit Büchern, die wir für unsere Lesungen brauchen.

Wir hoffen, dass jetzt deutlich wird, dass freischaffende Künstler in der Regel keine besonders hohen Betriebskosten haben, weil sie sich das gar nicht leisten können.

Die Corona-Soforthilfe, die aber nur für Betriebskosten und Liquiditätsengpässe genutzt werden darf, geht deshalb an unseren Bedürfnissen in dieser Notsituation komplett vorbei.
Wenn hier nicht umgehend nachgebessert wird, steht die Existenz von vielen tausend Künstler*innen auf dem Spiel.

In jedem Unternehmen zählen die Lohn- und Gehaltskosten eindeutig zu den Betriebskosten. Warum nicht bei uns Künstlern?

Warum dürfen wir Künstler uns von der Corona-Soforthilfe kein Gehalt auszahlen?
Ein angemessenes Gehalt, ausreichend, um unsere Miete und unseren Lebensunterhalt zu finanzieren. So ein Gehalt erwirtschaften wir normalerweise durch unsere Auftritte. Die aber dürfen zurzeit nicht stattfinden. Wovon also sollen wir leben?

Ohne uns Künstler gäbe es keine Literatur, kein Kino, kein Theater, keine Konzerte, keine Oper, kein Ballett, kaum Fernsehprogramme, keine Festivals, keine Volksfeste und nicht zu vergessen die unzähligen Veranstaltungen in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern, auf Messen und Wirtschaftsschauen, auf Stadt- und Straßenfesten, bei Sport- und Vereinsfesten, auf Hochzeiten und Kindergeburtstagen.

Wir tragen maßgeblich zur bunten Vielfalt unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens bei.

Die Coronaepidemie und die staatlichen Verbote zwingen uns ein Auftrittsverbot auf, was wir in der derzeitigen Lage natürlich akzeptieren und nachvollziehen können. Allerdings wird dadurch verhindert, dass wir Einnahmen erzielen können.

Aber: Wir wollen kein Arbeitslosengeld II. Wir sind nicht arbeitslos!

Wir arbeiten weiter! Wir schreiben, entwickeln Ideen für Bücher und Theaterstücke, lernen Texte, feilen an unseren handwerklichen Fähigkeiten, wir üben und proben, wir erstellen Internetseiten, machen Auftrittsakquise per Telefon und E-Mail und sind diesbezüglich in den sozialen Medien aktiv.

Kurz: Wir halten uns fit, verbessern unser Können, um dann, wenn eines Tages die Normalität zurückkehrt, für Sie und alle anderen Menschen wieder da zu sein. So, wie wir es schon immer gewesen sind.

Aber um das tun zu können und auch, um später wieder von unserer Kunst leben zu können, brauchen wir jetzt eine unseren Bedürfnissen entsprechende Unterstützung.

Die Corona-Soforthilfe muss so eingesetzt werden dürfen, dass wir Künstler überleben können.

Wir richten einen eindringlichen Appell an Sie, umgehend die Nutzungskriterien für die Corona-Soforthilfe zu überdenken, zu überarbeiten und in dem Sinne zu verändern, dass wir damit auch unseren Lebensunterhalt finanzieren können.

Mit freundlichen Grüßen

Rüdiger Paulsen           Cordula Paulsen